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Deutscher Personalberatertag 2021: Spannend – aber es hätte ein bisschen mehr sein dürfen

von Tilo Ferrari am
Deutscher Personalberatertag 2021

Raus aus der Pandemie – rein in den Kongress: zum 22. Deutschen Personalberatertag. Am Donnerstag war es endlich so weit. Nach einer gefühlten Ewigkeit durfte ich mal wieder auf einen Kongress. Leibhaftig. 3G macht‘s möglich. Und ich möchte meine Eindrücke gerne mit Ihnen teilen.

 

Seit vergangenem Jahr ist die Deutsche Interim AG Mitglied im Bundesverband Deutscher Unternehmensberater (BDU), in dem auch die Personalberater organisiert sind. Also auf zur Jahrestagung, zum Deutschen Personalberatertag nach Bonn. Und dort auf den geschichtsträchtigen Petersberg, den viele von uns noch aus Zeiten kennen, als Leonid Breschnew Helmut Kohl besuchte. Eine beeindruckende Umgebung.

Personalberater: Nach dem Tief hellt sich der Markt sehr deutlich auf

Begrüßt wurden wir mit einer Broschüre zu aktuellen Marktzahlen der Personalberater-Branche für das abgelaufene Corona-Jahr 2020. Berichtet wurde von einem negativen Marktwachstum von 8 Prozent, 65.500 besetzten Stellen und einer durchschnittlichen Besetzungsdauer von 12 Wochen. Nach Jahren steten Wachstums war das ein Rückgang auf das Niveau von 2018.

Inzwischen aber hellt sich die Lage auf. Nach Angaben des BDU hat sich der Markt im laufenden Jahr gut erholt. Man verzeichne einen Rückstau an zu besetzenden Positionen. Branchenvertreter äußerten den Eindruck, dass jetzt alles nachgeholt werde, was im letzten Jahr nicht besetzt wurde.

Ich bin fürs Erste beruhigt. Die positive Einschätzung des Verbandes deckt sich mit dem, was wir in unserer Tätigkeit als Interim Serviceprovider sehen – wenn auch die Zahlen gerne noch besser sein dürften. Mit der Aussicht, auch in Post-Corona-Zeiten nicht am Hungertuch zu nagen, konnte ich mich nun auf andere Inhalte konzentrieren.

Beiträge zur Digitalisierung: spannend, aber auch wenig Bezug zur Branche

Zwei von vier Referenten des Vortragsprogrammes haben sich intensiv mit dem Thema der Digitalisierung beschäftigt. Prof. Dr. Bloching ging das Thema in seinem Eröffnungsbeitrag aus makroökonomischer Sicht an. Zwei Spannungsfelder der Digitalisierung sind bei mir hängen geblieben:

  • Demokratie vs. Social Scoring: Social Scoring ist ein Punktesystem für gutes Bürgerverhalten, das wir bisher zum Glück nur in Ländern wie China beobachten.
  • Zum anderen die Redefreiheit, als demokratisches Grundrecht vs. Plattformen wie Facebook, die, sofern im Quasi-Monopol-Betrieb, am Staat vorbei darüber entscheiden können, was publiziert wird.

Sowohl Social Scoring als auch Plattform-Monopolisten sind unerwünschte Auswüchse der Digitalisierung, die Grundwerte der Demokratie bedrohen und dementsprechend kritisch bewertet werden sollten. So das Fazit von Prof. Bloching, das ich teile.

Die neue Rolle von Führungskräften in der digitalisierten Welt

Die zweite Referentin in Sachen Digitalisierung wurde konkreter: Inga Holtmann stellte drei Thesen zu Digital Leadership vor. Kernaussage: Führungskräften kommt in einer digitalisierten Welt eine neue Rolle zu. Ihre Aufgabe bestehe nicht mehr vornehmlich darin, Komplexität durch eigene Vorgaben zu managen, sondern ihre Mitarbeitenden zu befähigen, Komplexität zu bewältigen. Dabei reiche es nicht, die Toolbox der Digitalisierung zu beherrschen. Die Herausforderung bestehe vielmehr darin, einen Managementstil zu entwickeln, der den neuen Aufgaben Rechnung trägt und – weitergedacht – eine (Firmen) Kultur zu etablieren, die alte Muster aus dem kollektiven Gedächtnis der Organisation entfernt und sie durch einen Wertekanon ersetzt, der Menschen und Organisation zusammenwachsen lässt.

Mein Zwischenfazit: schwere Kost, gute Gedanken, sehr gute Redner. Aber: Wo ist der Link zur Personalberaterbranche? Den habe ich leider vermisst. Dafür gab es dann Gespräche in den Pausen. Auch das musste erst mal wieder geübt werden! Nach den Monaten in Corona-Isolation war es schon komisch, mal wieder an einem Tisch mit Fremden zu sitzen, mit denen man noch nie geredet hat.

0,7 Sekunden für die richtige Entscheidung

Leichtere Kost bot der Vortrag von Fußball-Bundesliga-Schiedsrichter Thomas Stieler, der anhand zahlreicher Videoausschnitte visualisierte, wie Schiri-Entscheidungen oft sekundenschnell ablaufen müssen und wie er persönlich mit der Gefahr der Fehlentscheidung umgeht. Hängen blieb, dass Schiedsrichter im Durchschnitt 0,7 Sekunden Zeit haben, um Entscheidungen zu treffen, die oft weitreichende Konsequenzen für den Mannschaftserfolg und das Spielerranking haben. Wie schön, dass ich mir sehr viel mehr Zeit für die meisten meiner Entscheidungen nehmen kann.

Die großen Marktplayer kommen endlich zu Wort

Am Nachmittag kamen (endlich) die Marktplayer zu Wort. In der Podiumsdiskussion bestätigten Vertreter von Russel Reynolds, Odgers Berndtson, Indigo Headhunters und Adrian Roth, dass die Digitalisierung auch vor der Personalberaterbranche nicht haltmacht. Keine wirklich überraschende Erkenntnis.

Nach Einschätzung der Speaker wird Digitalisierung zunächst eingesetzt (werden), um Interessenten deutlich leichter zu identifizieren. Da deren tatsächliche Wechselbereitschaft aber im Schnitt abnehme, müsse künftig immer mehr Zeit darauf verwendet werden, den Kandidatenpool auf seine Ernsthaftigkeit hin zu scannen. Eine Aufgabe, die Zeit kostet. Zeit, da war sich die Runde einig, die der Kunde nicht zahlt und damit auf die Marge drückt - und bis auf weiteres nicht „wegdigitalisiert“ werden kann.

Auch das Top-Thema der Bezahlmodelle für Personalberater kam auf den Tisch. Die Podiumsteilnehmer konnten keinen klaren Änderungstrend feststellen. Was die Speaker zu den Bezahlmodellen vorstellten, erschien mir eher wie eine Ideenwerkstatt, in der jeder mal was ausprobieren darf. Frei nach dem Motto: Mal schauen, wie’s beim Kunden ankommt. Es gibt wahrscheinlich wenige Branchen, in denen es eine so breite Palette an Bezahlmodellen gibt wie in der Personalberatung. Wenn es überhaupt eine Erkenntnis aus diesem Teil der Diskussion gab, dann vielleicht diese: „Je mehr Executive – desto klassischer das Preismodell“. Mal schauen, ob die Digitalisierung da nicht auch noch etwas mehr Dynamik reinbringen wird.

Die Welt ist nach Corona eine andere

Mein Fazit: Der 22. Deutsche Personalberatertag war für mich ein weiterer Schritt zurück zur Pre-Corona-Normalität. Das fühlte sich gut an. Aber: Machen wir uns nichts vor. Die Welt ist nach Corona eine andere – ein echtes Pre-Corona wird es nicht geben.

Mein New Normal heißt: Wer „C“ sagt muss auch „D“ sagen. Im Klartext: Wer „Corona“ sagt, muss auch „Digitalisierung“ sagen. Corona wird in die Geschichte auch als Turbo für mehr Digitalisierung eingehen. Der Kongress machte klar, dass das auch für die Branche der Personalberatung gilt. Schön wäre es gewesen, wenn die Konsequenzen der Digitalisierung für die Branchen konsequenter diskutiert worden wären. Das blieb der Tag leider schuldig.

Welche Ihrer Fragen darf ich mit auf das nächste Podium nehmen?

Wer jetzt Lust bekommen hat, wieder mal Kongressluft zu schnuppern, dem sei der Deutsche Beratertag des BDU empfohlen. Der findet am 26.11. am Frankfurter Flughafen statt. Ich bin auch wieder dabei, dann sogar auf dem Podium. zusammen mit Comatch aus Berlin und Ralf Strehlau, dem BDU-Präsidenten als Moderator. Das Thema: „Wege der Projektakquise für Freiberufler und Interim Manager“ Welche Botschaft sollte ich Ihrer Meinung nach zum Thema „Projektakquise für Interim Manager“ mit aufs Podium nehmen? Schreiben Sie mir gerne dazu eine Nachricht.

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