Der Fachkräftemangel schreitet voran – unaufhaltsam und immer schneller. Für Unternehmen aller Größen und Branchen ist es zunehmend schwieriger, offene Stellen zu besetzen und kompetente Mitarbeitende langfristig zu halten. Hinzu kommt, dass ein relevanter Teil der Belegschaft flexible Arbeitsmodelle bevorzugt: in Form von befristeten Arbeitsverträgen sowie verschiedenen Arten von Teilzeit-, Zeit- und selbstständiger Arbeit. Der demografische Wandel verschärft die aktuelle Situation. Vor diesen disruptiven Veränderungsprozessen die Augen zu verschließen, wird Unternehmen perspektivisch hart treffen. Denn selbst Firmen, die (noch) keine Probleme im Recruiting haben, werden früher oder später auf freie Mitarbeitende zurückgreifen müssen, um Personallücken zu füllen. Spätestens dann wird strategisches Workforce Management zu einem Erfolgsfaktor, der über die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen entscheidet.
Studie über Flexible Workforce Management
Dem umfangreichen Themenkomplex rund um Workforce Management hat das Management- und Technologieberatungsunternehmen BearingPoint die Studie Flexible Workforce gewidmet. Die zentralen Ergebnisse:
- Flexible Arbeitsmodelle in der Breite nutzbar zu machen, entwickelt sich zu einem signifikanten Wettbewerbsfaktor, wenn es darum geht, schwankende Arbeitslasten abzufedern und Kompetenzlücken zu schließen.
- Dabei steigt die Nachfrage nach passgenauen, zunehmend flexiblen Arbeitsmodellen im Zuge der Globalisierung und Digitalisierung.
- Die demografische Entwicklung verschärft die Situation zusätzlich.
Als Ausweg aus diesem Dilemma identifiziert BearingPoint das Flexible Workforce Management. Doch was genau hat es damit auf sich?
In diesem Artikel erfahren Sie:
- Was Workforce Management ist
- Wie Workforce Management gelingt
- Welche Vorteile Flexible Workforce Management eröffnet
- Warum Flexible Workforce Management eine strategische Ressource ist
- Welche Herausforderungen das Flexible Workforce Management mit sich bringt
- Welche Arbeitsmodelle zu unterscheiden sind
- Welche Erfolgsfaktoren es im Flexible Workforce Management gibt
- Wie Flexible Workforce Management und Interim Management zusammenspielen
Was ist Workforce Management?
Unter Workforce Management versteht man die ganzheitliche Betrachtung des bedarfsorientierten Personaleinsatzes. Dabei setzt sich Workforce Management aus verschiedenen Bausteinen zusammen:
- Personalbedarfsermittlung
- Personalstrukturoptimierung
- Kapazitätsplanung
- Personaleinsatzplanung
- Personalsteuerung
- Zeitwirtschaft
In Zeiten volatiler Märkte, die mit starken Schwankungen der Auftragslage und im Kundenaufkommen einhergehen, ist es immer schwieriger, den Personalbedarf optimal zu planen. Vor diesem Hintergrund sind Unternehmen gefordert, den Einsatz ihrer Mitarbeitenden situationsgerecht vorzusehen. Genau darum geht es beim Flexible Workforce Management.
Wie gelingt Workforce Management?
Um das Workforce Management zu flexibilisieren, braucht es ein ganzheitliches Konzept. Dabei sollte der inhaltliche Fokus insbesondere auf dem Modellieren und Etablieren durchgängiger Prozesse sowie auf dem Einführen der passenden IT-Systeme liegen. Beides dient in erster Linie dem Zweck, einen transparenten Überblick über die Anzahl sowie Qualifikation der eingesetzten Ressourcen zu erhalten, Prozessabläufe zu beschleunigen und Compliance sicherzustellen.
Welche Vorteile eröffnet Flexible Workforce Management?
Wer in der Lage ist, das Workforce Management bedarfsgerecht auszusteuern, füllt Personallücken schneller als der Wettbewerb und positioniert sich im War for Talents zugleich als attraktiver Arbeitgeber. Denn interne und externe Mitarbeitende so zu managen, dass sie ihr fachliches Potenzial optimal ausschöpfen, die ihnen übertragene Tätigkeit gern ausüben und optimal zusammenzuarbeiten, eröffnet große strategische Vorteile. Das sind die Vorzüge von Flexible Workforce Management auf einen Blick:
- Schwankende Arbeitsaufwände abfangen
- Spezialkompetenzen (punktuell) abdecken
- Fachkräfte gewinnen und binden
- Teamleistung verbessern
- Arbeitsaufkommen der Kernbelegschaft verringern
- Volatile Auftragslagen überbrücken
- Kapazitätsspitzen abfedern
- Produktionsschwankungen ausgleichen
Ziele des Flexible Workforce Managements. © Deutsche Interim AG
Warum ist Flexible Workforce Management eine strategische Ressource?
Wesentliche Treiber des Trends hin zu strategischem Workforce Management sind gesamtgesellschaftliche Entwicklungen und veränderte Einstellungen dem Job gegenüber. Während ältere Mitarbeitende großen Wert auf die jahrzehntelange Sicherheit eines festen Arbeitsplatzes in ein und demselben Unternehmen legen, präferieren die Vertreter der Generationen X, Y und Z Lebensentwürfe, die dem Streben ihrer Eltern und Großeltern nach Sicherheit diametral entgegenstehen. Jüngere Arbeitnehmende wechseln nicht nur den Arbeitgeber sehr viel häufiger, sie üben auch mehrere Beschäftigungen parallel aus. Unternehmen, denen es gelingt, freie Mitarbeitende mithilfe des strategischen Workforce Managements optimal einzubinden und deren Potenzial gewinnbringend zu erschließen, erarbeiten sich dadurch einen wesentlichen Wettbewerbsvorteil im Kampf um die vielversprechendsten Talente und erfahrensten Professionals.
💡 Gut zu wissen 💡
Flexible Workforce Management – nichts für jedermann und jederfrau
Dabei dürfen Unternehmen nicht außer Acht lassen, dass die Nachfrage nach flexibler Beschäftigung in Abhängigkeit von Qualifikationsniveau und Lebensphase zu betrachten ist. Während die Generation Z sehr stark an flexiblen Arbeitsmodellen interessiert ist, bevorzugen Menschen mittleren Alters und Nicht-Akademiker verstärkt Festanstellungen.
Welche Herausforderungen gibt es im Flexible Workforce Management?
Die BearingPoint-Studie identifiziert eine Reihe an Herausforderungen, mit denen das Workforce Management einhergeht:
Integrierte Planung und strategische Einbeziehung flexibel Beschäftigter
Viele Unternehmen fokussieren sich darauf, Kapazitätsspitzen abzudecken und auf Auftragsschwankungen zu reagieren. Dementsprechend betrachten sie flexibel Beschäftigte (noch) nicht als relevant für ihre Personalstrategie. Infolgedessen bleiben Synergieeffekte potenziell ungenutzt, wie etwa Wissen unternehmensintern zu teilen oder Talente zu finden und zu binden.
Kulturelle Integration von Flexibilität
Wer seine Workforce mit freien Mitarbeitenden verstärken möchte, sollte neben der Unternehmenskultur auch die Art der Mitarbeiterführung, -steuerung und -bindung anpassen. Um von flexibel Beschäftigten zu profitieren, muss deren Einsatz nicht nur vom Management gewollt und gefördert, sondern auch von den betroffenen Abteilungen unterstützt sein.
Parallelwelten Intern vs. Extern
Momentan herrscht eine große Diskrepanz zwischen dem Kernteam und den flexibel Beschäftigten – und zwar im Hinblick auf die Vertrautheit mit der gelebten Unternehmenskultur sowie mit Prozessen und Aufgaben. Diese Lücke ist zwingend zu schließen. Es gilt, freie Mitarbeitende effizient und effektiv einzuarbeiten, erforderliches Wissen an sie weiterzugeben und sie soziokulturell zu integrieren.
Nutzung verschiedener Arbeitsformen
Je nachdem, welche Ziele Unternehmen hinsichtlich Workforce-Flexibilisierung anstreben, sind geeignete Arbeitsmodelle zu wählen. Bei deren Definition sind Einsatzbereiche, Qualifikationsanforderungen sowie Beschaffungs- und Beschäftigungsdauer zu berücksichtigen.
Personalmanagement im Wandel
Klassische Personalmanager:innen müssen zu Flexibilitätsmanager:innen werden. Um die unterschiedlichen Beschäftigtengruppen zu managen und bei allen HR-Prozessen zu berücksichtigen, ist es unabdingbar, dass sich HR-Mitarbeitende zu strategisch denkenden und operativ handelnden Sourcing-Manager:innen entwickeln. Zudem sollten sie die Führungskräfte im Umgang mit den flexibilisierten Arbeitsbedingungen bedarfsgerecht unterstützen.
Zusammenarbeit der Fachbereiche, des Einkaufs sowie der HR-Organisation
Für ein funktionierendes Flexible Workforce Management ist ein ganzheitlicher Ansatz erforderlich, der geeignete Prozesse, Organisationsstrukturen und unterstützende IT-Systeme umfasst. Dies haben Unternehmen bisher nur ansatzweise realisiert.
Anbindung an IT-Systeme
Auf dem Markt sind diverse Software-Lösungen zur Unterstützung des Workforce Managements verfügbar. Bisher erfüllt jedoch kein singuläres Tool alle unternehmensseitigen Anforderungen. Eine erfolgreiche Auswahl scheitert oft daran, dass Prozesse und Organisationsstrukturen nicht gut genug ausgearbeitet sind.
Grenzen der Planbarkeit und Notwendigkeit einer kompetenzbasierten Betrachtung der gesamten Workforce
Die Angebotssituation auf dem derzeitigen Bewerber:innenmarkt und die Schnelllebigkeit des Wissenswandels lassen bisherige Planungen anhand von Projektzeitachsen oder Fluktuationskennzahlen zunehmend ungenau erscheinen. Insbesondere innovationsstarke Unternehmen gehen verstärkt dazu über, ihre Belegschaft kompetenzbasiert zu betrachten: Um eine Stelle zu besetzen oder eine Aufgabe zuzuteilen, geht es einzig und allein um die erforderlichen fachlichen Skills. Ob es sich um eigene oder externe Mitarbeitende handelt, ist zweitrangig.
Welche Arbeitsmodelle sind zu unterscheiden?
Der Erfolg des strategischen Workforce Managements steht und fällt mit der Fähigkeit, funktionierende Teams aus festen und freien Mitarbeitenden zusammenzustellen. Dafür müssen Unternehmen zunächst wissen, welche verschiedenen Arbeitsmodelle es überhaupt gibt. Einen Überblick liefert das Rahmenmodell der Flexibilisierungsdimensionen. Die fünf Dimensionen des Flexible Workforce Managements sind:
Non Flex Workforce
Bei nichtflexiblem Personal handelt es sich um Festangestellte. Diese Mitarbeitenden gelten als unverzichtbare Wissensträger und bilden zumeist das Kernteam. Das größte Augenmerk von Unternehmen sollte demnach darauf liegen, diese Mitarbeiter:innen zu binden und zu halten.
Internal Flex Workforce
Diese Mitarbeitenden sind zwar festangestellt, gestalten ihren beruflichen Alltag jedoch flexibler, etwa in Form von Viertagewoche und Modellen wie Jahresarbeitszeit, Lebensarbeitszeit, Gleitzeit sowie Sabbaticals. Internal Flex Workforces arbeiten verstärkt ortsungebunden, etwa im Homeoffice und in Co-Working-Spaces. Die Möglichkeit, trotz Festanstellung flexibel zu agieren, ist für Arbeitssuchende inzwischen ein wichtiges Kriterium bei der Entscheidung für oder gegen einen Arbeitgeber geworden.
Extendend Flex Workforce
Das Onboarding neuer Mitarbeitender ist mit einem großen zeitlichen und personellen Aufwand verbunden. Doch da auch flexibel Beschäftigte in relevante Prozesse – einschließlich Teambuilding, Wissenstransfer und dergleichen – einzubinden sind, verzichten viele Unternehmen auf diese so wertvolle Ressource. Genau hier setzt die Extended Flex Workforce an. Dabei handelt es sich um gut ausgebildete und fachlich versierte Personen, die das Unternehmen bereits kennen: von ehemaligen Mitarbeitenden und früheren Werkstudierende über aus Erziehungszeiten Rückkehrende bis hin zu Pensionierten, die stundenweise arbeiten.
External Flex Workforce
Zu dieser Gruppen zählen temporäre Arbeitskräfte, Freelancer, Mitarbeitende der Plattformökonomie sowie andere Dienstleister. Während Zeitarbeiter zumeist von Agenturen für eine gewisse Dauer an ein Unternehmen verliehen werden, sind Freelancer eine gute Option, um Personalbedarf kurz- und mittelfristig abzudecken – sofern dies mit internem Personal nicht möglich sein sollte. Zur Plattformökonomie gehören hingegen zumeist selbstständige Fachkräfte, die Aufträge über Online-Plattformen erhalten. Nicht zuletzt ist der klassische Dienstleistungssektor Bestandteil der External Flex Workforce. Dabei nehmen Unternehmen verschiedenste Services im Rahmen eines Auftragsverhältnisses in Anspruch.
Outsourcing
Nicht zuletzt können Unternehmen komplette Teilbereiche oder Geschäftsprozesse auslagern. Oftmals erfolgt dies über zwischengeschaltete Agenturen, Personaldienstleiter, Interim Management Provider, Plattformen oder externe Beratungsunternehmen, die auf einen Pool an für die jeweilige Aufgabe qualifizierten Fach- und Führungskräften zurückgreifen und passendes Personal bedarfsgerecht bereitstellen.
Flexible Workforce Management: Relevante Erfolgsfaktoren
Unternehmen, die strategisches Workforce Management auf ihre Personalagenda schreiben, sollten dies nicht ohne eine entsprechende Roadmap tun. Die BearingPoint-Studie identifiziert eine Reihe an Faktoren, von denen der Erfolg des Workforce Managements abhängt.
Personalbedarfsplanung
Die organisatorisch größte Hürde ist, die Zusammenarbeit zwischen Personalabteilung, Einkauf und den Fachbereichen optimal auszugestalten. Es gilt, Kompetenzen und Know-how zentral zusammenzuführen, um dann ganzheitlich planen zu können, wie die internen und externen Mitarbeitenden im Hinblick auf ihre fachlichen Skills idealerweise einzusetzen sind.
Onboarding
Externe Mitarbeitende ins Unternehmen einzuführen, ist ebenso unabdingbar, wie es auch bei Festangestellten der Fall ist. Nicht nur die Flexible Workforce erwartet dies, sondern auch das Unternehmen selbst profitiert sehr davon, wenn sich Externe bereits nach einer kurzen Einarbeitungszeit fachlich einbringen und Aufgaben eigenständig bearbeiten.
Organisation und Koordination
Sind Mitarbeitende mit verschiedenen Arbeitsmodellen und Vertragsformen zu managen, steigt zwangsläufig der koordinatorische Aufwand. Dementsprechend sind reibungslose und zentral gesteuerte Workforce-Management-Abläufe unverzichtbar. Dafür braucht es strategisch ausgerichtete End-to-End-Prozesse, unterstützende IT-Systeme und einen Skill-basierten Workforce-Management-Ansatz. Hierbei fungieren HR und Einkauf als interne Service-Provider für die Fachbereiche. Ebenso sind Corporate Governance und Compliance sicherzustellen sowie strategische Make-or-Buy Entscheidungen zu treffen.
Wie spielen Flexible Workforce Management und Interim Management zusammen?
Ob und in welchem Umfang Unternehmen auf die Möglichkeiten des strategischen Workforce Managements zurückgreifen, ist (noch) abhängig von der Branche, dem verfügbaren Personal und den Qualifikationsanforderungen. Perspektivisch jedoch werden Unternehmen nicht darum herumkommen, sich durch externe Mitarbeitende zeitweise oder dauerhaft zu verstärken. Dabei kommt Personalmanager:innen nicht nur die Aufgabe zu, Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt permanent zu monitoren und verschiedene Konzepte für das Workforce Management zu erarbeiten. Sie müssen – im Falle einer Verschärfung der Situation – auch schnell reagieren. Um strategisch wichtige Positionen schnell nachzubesetzen, kann die Zusammenarbeit mit einem Interim Management Provider sinnvoll sein. Er unterstützt Unternehmen tatkräftig dabei, Personallücken zeitnah zu schließen und flexibel Beschäftigte zu finden, die der jeweiligen Firma große fachliche Mehrwerte bieten.
Zudem helfen erfahrene Interim Management Provider Unternehmen dabei, Fachkräfte mit speziellen Kompetenzen, etwa in den Bereichen Digitalisierung und Agilität zu gewinnen, die auf dem Arbeitsmarkt kaum verfügbar sind. Insbesondere bei Investitionsprojekten, die einerseits große personelle Ressourcen binden und andererseits sehr spezifisches Fachwissen erfordern, sind flexibel Beschäftigte unabdingbar. Dabei kommt Firmen auch die Tatsache zugute, dass sich der Interim Management Provider nicht nur um das Vertragsmanagement kümmert, sondern auch die Qualitätssicherung übernimmt.