Menschen können ihr Verhalten ändern. Unternehmen müssen sich wandeln, wenn sie auf Dauer erfolgreich sein wollen. Das gilt nach innen wie außen. Doch der nach innen gerichtete Wandel der Unternehmenskultur scheitert erstaunlich oft. Warum? Weil das Scheitern häufig schon von Anfang an programmiert ist. Lesen Sie, wie Sie im Abenteuer Kulturwandel bestehen und Zynismus-Förderungs-Programme vermeiden.
Warum enden viele Kulturwandel-Projekte als Zynismus-Förderungs-Programm?
Wie oft stört die faktische Unternehmenskultur mit ihren gelebten Werten und Glaubenssätzen ein erfolgreicheres Durchstarten des Unternehmens am Markt? Und wie groß ist der Wunsch des Management oder der Consultants, die Belegschaft möge doch bitte mit einer anderen Haltung ans Tagewerk gehen? Ein Kulturwandel soll her. An sich eine gute Sache. Warum aber enden so viele Kulturwandel-Projekte als Zynismus-Förderungs-Programm?
1. Saubere Diagnose statt interpretatorische Kurzschlüsse – ein Beispiel
Es ist kein Witz, sondern tatsächlich passiert: Der Krankenstand an einem Produktionsstandort war im Verhältnis zum Branchendurchschnitt sehr hoch. Schnell war die Personalentwicklung mit der Ursache bei der Hand. Sie entdeckte das Thema Führungskompetenz. Zügig wurde ein Führungskräfteentwicklungsprogramm für den betroffenen Bereich aufgesetzt. Das Ergebnis der Maßnahme war beeindruckend: Der Krankenstand ging signifikant zurück. Man konnte sich feiern. Doch bereits nach wenigen Monaten kletterte der Krankenstand wieder auf sein Ausgangsniveau.
Was war geschehen? Vor Beginn des Führungskräfteprogramms war eine Luftschleuse im Zuge einer Umbaumaßnahme aus Kostengründen entfallen. Im Winter führte der kalte Luftzug verstärkt zu Erkältungskrankheiten in der Belegschaft. Als das Führungskräfteprogramm in Kraft trat, kamen die warmen Frühlings- und Sommermonate – und die Erkältungen gingen zurück. Das Führungskräfteprogramm war erfolgreich. Bis zum Herbst. Dann wurde es wieder kalt.
Das Beispiel zeigt, wie wichtig die Differenzierung von Wahrnehmung und Urteil ist. Und wie nachteilig sich interpretatorische Kurzschlüsse auswirken. Die Wahrnehmung, der unbefangene Blick, muss immer wieder trainiert werden. Sie ist der Ausgangspunkt menschlicher Erkenntnis. Die wichtigste Lehre aus diesem Beispiel: Vor Beginn des angestrebten Kulturwandels muss die Diagnose sauber gestellt sein.
2. Werte und Haltung systemisch reflektieren – statt moralisches Abkanzeln
Mit Blick auf die Unternehmenskultur entsteht häufig der Wunsch nach Änderung einzelner Haltungen oder auch Werte. Ein paar typische Beispiele mögen das illustrieren:
- In einem Unternehmen wird die mangelnde Teamfähigkeit beklagt, da die daraus resultierenden Konflikte und Reibungsverluste die gemeinsame Wertschöpfung behindern.
- In einem anderen Unternehmen lähmen mangelnde Kreativität und mangelndes Mitunternehmertum die Innovationskraft.
- In einem dritten Unternehmen werden immer wieder mangelnder Mut und mangelnde Verantwortungsübernahme durch die Mitarbeitenden beklagt.
Die drei Beispiele zeigen, dass die Veränderung von Werten und Haltung ein nachvollziehbarer Wunsch sein kann. Doch Vorsicht mit der vorschnellen Ableitung von Maßnahmen wie z.B. dem Verordnen eines neuen Seminarprogramms. Denn das beste Trainingsprogramm wird verpuffen, wenn die systemischen Rahmenbedingungen nicht stimmen. Zunächst ist es unverzichtbar zu reflektieren, wie dysfunktionale Werte und Haltungen zustande kommen oder gefördert werden. Was bedeutet das in Bezug auf die oben genannten Beispiele?
- Beispiel Teamfähigkeit: Wenn in einem Unternehmen zum Beispiel Individualleistung mit Ellenbogeneinsatz zur Beförderung führt, dürfte das wenig zur eingeforderten Teamfähigkeit beitragen. Hohe Boni-Zahlungen werden ebenso eher die egozentrische Leistungserbringung fördern statt Teamfähigkeit. Kulturwandel kann in diesem Fall nicht gelingen, ohne beispielsweise das Sozialverhalten der Begünstigten in Betracht zu ziehen.
- Beispiel Kreativität und Mitunternehmertum: Wenn in Teams die unbewusste Annahme lebt, dass Führungskräfte die besseren Ideen haben müssen, weil sie höher bezahlt sind, dann werden sie das in jeder Besprechung mit ihrem Team unter Beweis stellen wollen. Und das wird sich negativ auf die Ideenentfaltung des Teams auswirken.
- Beispiel Mut und Verantwortung: Wenn selbst für kleine Entscheidungen wie den Einkauf von Fachliteratur die Unterschrift der Führungskraft erforderlich ist, dürfte das der freien Entfaltung und der Verantwortungsübernahme durch den Mitarbeiter gehörig im Wege stehen. Ähnliches ist anzunehmen, wenn beispielsweise die Entscheidung über eine Fort- und Weiterbildungsmaßnahme nicht nur von Führungskraft und Mitarbeitenden getroffen wird, sondern auch noch die Genehmigung von Einkauf und HR erforderlich macht.
3. Prozesse dialogisch diagnostizieren und gestalten – statt Kausalhypothesen im Elfenbeinturm zu bilden
Damit der angestrebte Kulturwandel nicht zum Zynismus-Förderungs-Programm verkommt, sollten Sie also nicht vorschnell folgern und sauber analysieren. Genau so wichtig ist es, Mitarbeitende aus allen Bereichen und Hierarchiestufen an den Tisch zu bringen. Folgende Schritte haben sich dabei vielfach bewährt (vgl. Friedrich Glasl et. al, Professionelle Prozessberatung, Stuttgart-Bern 2014):
- Prozessbeschreibung: Wie läuft der Prozess genau? Mit welchen Instrumenten und Systemen werden die Prozesse bearbeitet?
- Wer spielt in dem Prozess welche Rolle? Wer hat welche Befugnisse und welche Verantwortung und macht genau was?
- Nach welchen impliziten und tatsächlich gelebten Glaubenssätzen vollziehen sich die Prozesse?
- Entspricht das den gewünschten Werten und Verhaltensweisen?
- Welche Werte und Verhaltensweise sollen in Zukunft verankert werden?
- Was bedeutet das für die neu zu gestaltenden Funktionen und Rollen?
- Wie können die Prozesse künftig gestaltet werden?
Mit den Antworten auf die Fragen haben Sie den Rohstoff in der Hand, um einen nachhaltigen Kulturwandel zu gestalten.
Blinde Flecken mit externer Hilfe sichtbar machen
Ohne Zweifel ist vor allem die sorgfältige Analyse impliziter Werte für Unternehmensangehörige eine besondere Herausforderung. Von daher ist es oft ratsam, eine externe Sicht einzuholen. Der fremde Blick ermöglicht es, die blinden Flecken von faktischer und angestrebter Organisationskultur schneller und zuverlässiger sichtbar zu machen. Auch dürfte es einer externen Kraft leichter als der Belegschaft fallen, systemisch kontraproduktive Wirkzusammenhänge zu benennen.
Interim-Führungskräfte für Kulturwandel
Die Deutsche Interim AG vermittelt Ihnen gerne Interim Managerinnen oder Interim Manager, die Sie durch das Abenteuer Kulturwandel begleiten. Beispielhaft für die ausgezeichnete Expertise stehen die folgenden 3 Profile: