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PROJEKTBERICHT

An Tag 2 kommt Corona: Recruiting im Lockdown

Active Sourcing | Remote-Recruiting | Digital Recruiting

Das Projekt im Überblick:

  • Alle Mitarbeitenden werden umgehend ins Homeoffice geschickt
  • In kürzester Zeit Prozess für Remote Recruiting entwickelt und umgesetzt
  • Leitfaden für Videointerviews - Bewerbungs-Cases für digitale Formate angepasst
  • Nachbefragungen ergeben eine hohe positive Candidate Experience
  • Active Sourcing in Krisenzeiten ist anders
  • Neuer digitaler Recruitingprozess wird auch nach Lockdown beibehalten

Ein mittelständischer europäischer Marktführer (Automotive/Logistik) stellt sich für eine dieselfreie Zukunft und für einen mittelfristig geplanten Börsengang neu auf. Der neue CEO und der neue HR-Direktor sind an Bord. Sie wollen eine erfolgsverwöhnte und profitable Mannschaft in eine agile, professionelle und digitalere Zukunft entwickeln. Der HR-Bereich soll um ein neues Recruiting- und Organisationsentwicklerteam ergänzt werden und sich professioneller aufstellen. Die HR-Business Partner sollen sich mehr auf die Betreuung ihrer Bereiche konzentrieren.

Mehr als 100 genehmigte neue Positionen und viele Positionen, die seit Monaten unbesetzt blieben, stellten die Umsetzung der Wachstumsziele und die Zufriedenheit der Hiring Manager infrage. Eine typische Situation für den Interim Manager. Sein Auftrag: parallel zum Aufbau des Teams das Recruiting in kritischen Bereichen unterstützen, Recruiting Know-how einbringen und das Active Sourcing etablieren. Und dann kam am 2. Tag des Mandats der Corona-Lockdown.

Alle Mitarbeitenden werden umgehend ins Homeoffice geschickt

Unter Lockdown-Bedingungen fiel die übliche Einführung in Organigramme, Produkte, Dienstleistungen, unternehmensspezifische Kultur, Bewerbermanagement-System, Laufwerksorganisation, Stakeholder, Vorlagen und vieles mehr aus. Stattdessen zeichnete sich bereits am ersten Tag ab, dass vom nächsten Tag an alle im Homeoffice arbeiten und der Bürostandort fast komplett dichtgemacht wird.

Zum Glück hatte das Unternehmen zu Jahresanfang beschlossen, alle Arbeitsplätze mit MS-Teams auszurüsten. Drei Wochen vor dem Lockdown wurde der Roll-out planmäßig abgeschlossen – just in time! Die für alle ersichtliche Notwendigkeit, sich jetzt intensiv in MS-Teams einzuarbeiten, erleichterte die Akzeptanz in nicht voraussehbarer Weise. Auch im Recruiting gelang es mithilfe des erfahrenen Interim Recruiters, den Auswahlprozess vollständig auf ein Recruiting aus dem Homeoffice umzustellen, sodass ohne Verzögerung weiter rekrutiert werden konnte. Dem erwarteten Widerstand der HR-Business Partner gegen die sukzessive Abgabe von Kompetenzen an das kommende Recruiting Team und gegen die Modernisierung und Standardisierung von Prozessen wurde so der Boden entzogen. Im Lockdown war Change Tagesgeschäft.

In kürzester Zeit Prozess für Remote Recruiting entwickelt und umgesetzt

Es ist klar, dass neben der reibungslosen Nutzung der technischen Möglichkeiten, die Candidate Experience wichtiger Erfolgsfaktor ist. Dafür entwickelte der Interim Manager gemeinsam mit dem HR-Team einen fünfstufigen digitalen Standardprozess, der transparent an Bewerber und Hiring Manager kommuniziert werden konnte. Dieser Prozess löste die „individuellen“ und tradierten Prozesse der HR-Business Partner ab.

  1. Vorauswahl durch den Recruiter und Check durch den Hiring Manager
  2. Erstes Videointerview mit Hiring Manager und Recruiter
  3. Vorhandene, aber nur selten eingesetzte Onlinetests, abgestimmt auf Funktion und Level
  4. Zweites Videointerview mit Casestudy und weiteren Interviewpartnern je nach Rolle und Bereich in Absprache mit den Hiring Managern
  5. In ca. 50 Prozent der Fälle, in denen der Kandidat oder Hiring Manager ein persönliches Treffen wünschten, wurde ein mit Abstand geführter Spaziergang, zum Beispiel am Rhein oder am Wohnort des Hiring Managers, vereinbart.

Leitfaden für Videointerviews - Bewerbungs-Cases für digitale Formate angepasst

Um das neue Standardverfahren anwenden zu können war es notwendig, dass in kürzester Zeit etliche Prozesse verändert werden. Beispielsweise wurden alle Anschreiben aus dem Bewerbermanagementsystem an den Remote Prozess angepasst. Der Interim Manager optimierte die Anschreiben und Abläufe mit dem Blick von außen und dem Fokus auf bestmögliche Candidate Experience.

Videointerviews bieten einige Stolperfallen, z.B. wenn die Technik klemmt, Interviewer sich nicht abstimmen, Wahrnehmungskanäle fehlen oder Termine einfach nur zu eng getaktet sind, weil Hiring Manager sich im Homeoffice einen Termin nach dem anderen einplanen (lassen). Und eine Verspätung in einem Videotermin ist unangenehmer als bei einem Präsenztermin. Also mussten Videointerviews besser vorbereitet und abgesprochen sein. Auch diese Möglichkeit der Standardisierung und Optimierung implementierte der Interim Manager.

Statt einer Vielfalt von Cases, die irgendwann mal von irgendwem geschrieben wurden, entwickelte der Interim Manager außerdem eine neue Casesystematik zur Remote Präsentation. Mit nur wenig Input von den Hiring Managern kann der Case jetzt auf Bereiche und Positionen angepasst werden. Der Kandidat bekommt den Case genau 30 Minuten vor dem zweiten Interview, macht sich aber schon vorher Gedanken, wie er seine Ergebnisse im Videointerview präsentieren möchte. Ob auf Tapete, Schrankwand, Flipchart, auf Papier gescribbelt oder Powerpoint – das war ihm selbst überlassen. Die Vielfalt ist groß und liefert zusätzliche Beobachtungen und Erkenntnisse über den Kandidaten.

Nachbefragungen ergeben eine hohe positive Candidate Experience

Die Vertragserstellung mit bis zu vier Unterschriften konnte mithilfe von „Docusign“ digitalisiert und beschleunigt werden. Auch das Onboarding wurde mithilfe der Business Partner, der IT und vielen kreativen Ideen unter Schmerzen digitalisiert.

Am Ende stand ein Prozess, der nicht nur standardisiert, objektiv und transparent war, sondern der auch die Time-to-hire im Schnitt um zwei Wochen reduzierte. Klare Entscheidungsgrundlagen zum einen sowie schnellere Terminfindungen zum anderen und die oft mühselige Raumplanung waren obsolet. Niemand musste anreisen oder Urlaub nehmen, alle waren im Homeoffice gut erreichbar, und Verträge waren schnell erstellt und unterzeichnet.

Ebenso wichtig: Nachbefragungen ergaben eine hohe positive Candidate Experience und, letztlich auch kein Wunder, die Acceptance Rate bei angenommenen Verträgen stieg auf mehr als 90 Prozent.

Active Sourcing in Krisenzeiten ist anders

Der „TalentManager“ sowie der „Recruiter“ von Xing und LinkedIn waren bereits vorhanden. Sie wurden von den HR-Business Partnern aber nicht genutzt, da es in den Testphasen wenig Erfolgserlebnisse gab und der Zeitaufwand groß war. Der Interim Recruiter konzentrierte sich daher auf einige wenige kritische Positionen, die schon länger ausgeschrieben waren und darauf, sein Active Sourcing-Know-how in kurzen Trainings an diejenigen Recruiter und HR-Business Partner weiterzugeben, die eine hohe Eigenmotivation und Interesse zeigten. Positionen im HR-Controlling, Payroll, Changemanagement sowie im Bereich Digital Payment und IT-Demand konnten so besetzt werden.

Bei der Suche nach passenden Profilen konzentrierte sich der Interim Manager zunächst auf Mitarbeiter aus Unternehmen, die coronabedingt ins Straucheln gerieten oder zumindest in der Umsetzung Ihre Ziele stark eingeschränkt waren. Er erhoffte sich ein entsprechend größeres Interesse der potenziellen Kandidaten als in normalen Zeiten. Dies waren z.B. Unternehmen aus dem Messebereich, der Reisebranche, der Systemgastronomie, dem Eventmanagement oder dem stationären Handel. Der Ansatz war richtig, aber trotzdem zeigte sich auch der gegenläufige Effekt der Krisenzeit. In unsicheren Zeiten sinkt die Risikobereitschaft, aus einem (vermeintlich) sicheren Job heraus zu wechseln. Die Lektion: Der Anteil der Interessierten war höher als in normalen Zeiten. Gleichzeitig sank nach einigem Nachdenken und nach Abwägung im privaten Umfeld aber die Bereitschaft der Angesprochenen, tatsächlich zu wechseln. Der Prozess wurde häufiger als zuvor abgebrochen. Statistisch nicht relevant, aber gefühlt hoben sich beide Effekte am Ende wieder auf.

Neuer digitaler Recruitingprozess wird auch nach Lockdown beibehalten

Mithilfe des externen Know-hows des Interim Recruiters gelang es, mitten im Corona-Lockdown das Recruiting digitaler, effizienter und kandidatenfreundlicher zu gestalten. Die angestrebten Einstellungsziele wurden erreicht. Active Sourcing wurde eingeführt, dadurch auch Budget für den Einsatz von Headhuntern runtergefahren und die Anerkennung von HR im Haus gesteigert. Der neue, erfolgreiche Recruitingprozess wurde auch nach dem Lockdown beibehalten: Bis auf die zweite Interviewrunde, die wieder als Präsenzmeeting stattfindet - und den „Spaziergang am Rhein“, den der eine oder andere Hiring Manager jetzt vermisst.

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    Claudia M. Christen, Senior Consultant. Swiss Interim GmbH

    Claudia M. Christen

    Senior Consultant

    Marlise Stauffer Geschäftsführerin Swiss Interim GmbH

    Marlise Stauffer

    Geschäftsführerin