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Tilo Ferrari im Interview: Mit der Connected Workforce Zusammenarbeit neu denken

von Charly Kahle am
Im Interview spricht CEO Tilo Ferrari über die Connected Workforce.

Der demografische Wandel bedroht die Leistungsfähigkeit unserer Wirtschaft und den Wohlstand der Gesellschaft insgesamt. Es braucht einen Nachfolger für das Erfolgsmodell „Babyboomer“: Die Connected Workforce kann eine Lösung sein. Im Interview erklärt Tilo Ferrari, CEO der Deutschen Interim AG, was es mit der Connected Workforce auf sich hat und warum die „vernetzte Belegschaft“ eine praktikable Lösung für den Fach- und Führungskräftemangel ist. Die Fragen stellte Redakteur Charly Kahle.
 

Lieber Tilo, der Begriff „Connected Workforce“ wird auf verschiedene Weise verwendet. Oft geht es um die Vernetzung von Menschen und Maschinen in der Produktion, aber auch um Arbeitsorganisation in Unternehmen. Was verstehst du unter dem Begriff?

Tilo Ferrari: Wenn wir heute von demografischem Wandel und Fachkräftemangel sprechen, sind wir im nächsten Schritt beim vielzitierten „War for Talents“. Das ist nicht nur ein hässlicher Begriff, sondern auch ein Ansatz, den wir überdenken sollten. Wir brauchen keinen Krieg, erst recht brauchen wir keinen Krieg um Talente. Wir brauchen einen Wandel – hin zu flexiblen und bedarfsgerechten Methoden der Personalbeschaffung.

Der Arbeitsmarkt transformiert sich: Das ist herausfordernd. Die Veränderung bietet aber auch Chancen. Wenn es heute gelingt, neue Konzepte für die Arbeitswelt zu etablieren, werden wir morgen profitieren. Meine Interpretation von Connected Workforce geht über die bisherige Definition hinaus. Mir geht es darum, eine neue Arbeitskultur zu prägen und dabei im Mittelpunkt ein Netzwerk zu bilden, von dem Wirtschaft und Menschen gleichermassen profitieren.
 

Das bedeutet konkret?

TF: Wir brauchen Firmen und Arbeitsorganisationen, die sich Expertise nicht gegenseitig streitig machen, sondern Kompetenzen effizient und flexibel nutzen. Spezialistinnen und Spezialisten sollten nicht gehortet werden, sondern ihr Wissen an viele weitergeben können. Das ist eine der Leitideen der Connected Workforce.
 

Warum sollten Unternehmen Interesse daran haben, Kompetenzen nach dem Modell der Connected Workforce zu teilen?

TF: Die Wirtschaft wird meiner festen Überzeugung nach gar keine andere Wahl haben, als die immer knapper werdenden personellen Ressourcen flexibel zu nutzen. Es spricht doch nichts dagegen, wenn Spezialistinnen und Spezialisten nach einem Projekt weiterziehen und woanders das nächste Problem lösen. Es ist ein bisschen wie beim Carsharing: Autos stehen zu 90 Prozent leer auf dem Parkplatz. Mit zehn Prozent der Fahrzeuge liesse sich theoretisch die Nachfrage nach Mobilität befriedigen – wenn die Autos immer dort wären, wo sie gebraucht werden. In diesem Sinne ist die Connected Workforce ein Modell, das mit deutlich kleinerem Headcount die Bedürfnisse der Arbeitswelt kompetent bedient.
 

Wirtschaft ist Wettbewerb: Glaubst du wirklich, dass Unternehmen sich darauf einlassen?

TF: Ich sehe Anzeichen dafür. Beispielsweise steigt die Akzeptanz von Interim Management in den Unternehmen – und immer mehr Menschen können sich eine selbstständige Tätigkeit vorstellen. Wir sehen doch schon heute, dass viele fachliche Kompetenzen nur sehr eingeschränkt zur Verfügung stehen. Das wird sich verschärfen. Deshalb müssen wir umdenken: Das ist keine Frage des Wollens, sondern schlicht eine Notwendigkeit. Wir werden die vorhandenen Kapazitäten flexibler teilen müssen, um die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland zu erhalten.

Gleichzeitig ist das Prinzip der vernetzten Belegschaft kostengünstig. Auftraggeber bezahlen hochqualifizierte Fach- und Führungskräfte nur noch befristet, anstatt sie dauerhaft anzustellen. Und auch die direkten und indirekten Kosten für langwierige Recruiting-Prozesse entfallen.
 

Wir haben bislang vor allem über die Arbeitgeberseite gesprochen. Wenn ich deinen Vorschlag richtig verstehe, bringt das Modell der Connected Workforce auch für die Beschäftigten grosse Veränderungen mit sich?

TF: Das ist richtig. Sicher werden wir alle miteinander erst einmal viel Neues lernen müssen. Das klassische Modell der Festanstellung löst sich doch ohnehin schon immer weiter auf. Menschen aller Altersklassen suchen Alternativen, die ihnen mehr Raum für die Erfüllung persönlicher und beruflicher Lebensziele geben. Deshalb bilden Freelancer eine tragende Säule in meinem Verständnis von Connected Workforce: Wir sollten zur freiberuflichen Tätigkeit ermuntern und Modelle schaffen, mit denen mehr Menschen als Selbstständige nach ihren Vorstellungen am Arbeitsmarkt teilhaben können.
 

Und woher sollen die vielen neuen Freelancer kommen?

TF: Ich denke beispielsweise an junge Menschen, Erziehende oder Menschen, die mit 60 plus noch arbeiten möchten. Wenn wir es schaffen, diese Gruppen nach ihren Vorstellungen in den Arbeitsmarkt zu integrieren, ist schon viel gewonnen. Für Studierende ist das Leitbild des Selbstständigen heute oft schon präsenter denn je. Viele Bildungseinrichtungen haben ihr Curriculum angepasst und unterstützen Menschen, die ihr Berufsleben gewissermassen von Anfang an als Start-up betrachten. Auch Firmen haben das erkannt und fördern den „Unternehmer im Unternehmen“ mit speziellen Programmen.
 

Wer kommt sonst noch für die Connected Workforce in Frage?

TF: Die Connected Workforce adressiert – darüber hinaus – viele andere Personengruppen. Ich denke beispielsweise an Arbeitnehmende über 50, die nicht mehr im klassischen Raster der Erwerbstätigkeit landen können oder wollen. Eine andere Personengruppe: Menschen, die aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr arbeiten müssten, ihre Kompetenzen aber gerne weiterhin einbringen möchten. Die Quote der erwerbstätigen Hochqualifizierten zwischen 60 und 64 hat sich in den vergangenen zehn Jahren um die Hälfte auf nunmehr 74 Prozent erhöht. Die Quote der Selbstständigen über 65 liegt bei etwa einem Drittel, im Durchschnitt der Gesellschaft aber nur bei mageren acht Prozent. Da ist noch viel Luft nach oben. In diesen Gruppen steckt enormes Potenzial. Um es zu heben, stehen wir alle in der Pflicht.
 

📖 WEITERFÜHRENDER LESETIPP: In unserem Beitrag Connected Workforce: Konzept für modernes Personalmanagement beleuchten wir die Ursachen des Fach- und Führungskräftemangels – untermauert mit eindrücklichen Zahlen – ausführlich und geben Handlungsempfehlungen.
 

Was wäre denn notwendig, um das Potenzial zu heben?

TF: Um den Herausforderungen des demografischen Wandels auf dem Arbeitsmarkt gerecht zu werden, muss die bestehende Arbeitsmarktpolitik angepasst werden. Das ist meine feste Überzeugung. Nehmen wir Scheinselbstständigkeit und Sozialversicherungspflicht als Beispiele. Im Interim Management sind Fach- und Führungskräfte nicht selten bis zu zwei Jahre in einem Projekt tätig. Wenn sie in dieser Zeit keine anderen Einnahmen aus selbstständiger Tätigkeit haben, droht ihnen eine Einstufung als scheinselbstständig. Das Schlimme daran: Scheinselbstständige sind sozialversicherungspflichtig. Allein die Nachzahlungen für Renten- und Arbeitslosenversicherung können sechsstellig werden – und die wirtschaftliche Existenz der Betroffenen ruinieren. Hier ist der Gesetzgeber gefordert, mit einem einfachen System Klarheit zu schaffen. Einige unserer europäischen Nachbarn, insbesondere Österreich und die Schweiz, gehen mit gutem Beispiel voran und haben für Selbstständige pragmatische Lösungen zur Sozialversicherungspflicht geschaffen. Hier sehe ich in Deutschland definitiv Nachholbedarf.
 

Was ist deine persönliche Agenda in Sachen Connected Workforce?

TF: Als CEO eines Unternehmens, das flexible Personallösungen anbietet, sehe ich die Notwendigkeit, mit neuen Ideen auf den demografischen Wandel zu reagieren. Als Deutsche Interim AG arbeiten wir schon heute intensiv daran, Menschen auf dem Weg in die Selbstständigkeit zu begleiten – und Unternehmen für die Möglichkeit bedarfsgerechter Personallösungen und vernetzter Arbeitskraft zu begeistern. Als Unternehmer und Bürger setze ich mich in diversen Verbänden und Initiativen dafür ein, mehr Menschen für Selbstständigkeit und mehr Unternehmen für die vernetzte Zusammenarbeit mit Freelancern zu gewinnen.

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